Hat die Mitarbeiterzeitung eine Zukunft?

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Der erste Disclaimer vorneweg: Wir entwickeln und produzieren Mitarbeitermagazine, deshalb bin ich ziemlich sicher nicht ganz neutral. Wir verdienen Geld damit. 

Der zweite Disclaimer lautet allerdings: wir „machen“ auch Intranets und implementieren Enterprise Social Networks, deshalb habe ich zumindest noch eine zweite Perspektive auf dieses Thema. 

Welchen Blickwinkel ich aber auch einnehme, meine Antwortet auf die Frage aus der Headline lautet immer „Ja“

Ein Kessel Buntes

Aus der Sicht der Magazin-Manufaktur – für Continental, die Fiducia GAD und ein paar andere – ist das natürlich ein Selbstläufer. Die Mitarbeiterzeitung ist ein etabliertes, in den meisten Unternehmen gern und intensiv gelesenes Medium, dessen pures Erscheinen so beruhigend ist, wie die tägliche Ausstrahlung der Tagesschau – und dessen Verschwinden ein ebenso großes Loch hinterließe wie das Absetzen der 20 Uhr Nachrichten. Wir würden sicherlich noch einige Monate zur gleichen Zeit irritiert „in die Röhre schauen“, zumindest das „Wir“ aus der Generation X.

Andererseits haben wir natürlich schon eine Menge Formate sterben oder sich radikal verändern sehen. Der Musikantenstadl heißt jetzt Stadl-Show, „Derrick“ gibt’s gar nicht mehr und den „Kessel Buntes“ findet man nur noch in der Wikipedia und auf YouTubeDas pure Vorhandensein eines Formates garantiert also sicher keinen Bestand, selbst wenn es bewährt und beliebt ist. Ein langsames oder plötzliches Aus ist immer möglich. 

Schnell, schnell, schnell

Allerdings muss man wie bei jeder halbwegs akkuraten Zukunftsbetrachtung den Kontext berücksichtigen, in diesem Fall also die Trends der digitalen Mitarbeiterkommunikation, wie sie von Intranets, Social Intranets und Enterprise Social Networks gesetzt werden. Diese drei verändern den Rahmen der Internen Kommunikation von Unternehmen in mehrerer Hinsicht: 

  • Mitarbeiterkommunikation wird schneller, geschieht heute nahezu in Echtzeit. Gerade im Zusammenhang mit dem BYOD Trend („Bring your own device“) sind immer mehr mobile Geräte im Umlauf, die den Puls des Unternehmens ganz nah an die Mitarbeiter bringen und den Lauf der Dinge so beschleunigen. 
  • Organisations- und Prozesskommunikation vermischen sich mehr und mehr. Im Newsfeed eines Enterprise Social Networks steht eine Vorstandsnachricht direkt neben, unter oder über einem Dokumenten-Update und dem Witz des Kollegen aus dem Accounting. Das lässt sich filtern, aber die grundsätzliche Erfahrung dieser Kommunikationsform ist eine „unterschiedslose“. 
  • Kommunikation findet hauptsächlich auf Teamebene statt. Im Besten Fall sind diese Teams siloübergreifend, aber es sind Teams auf Problem-, Prozess- oder Funktionsebenen. Das Team – die Community – wird zum Mittelpunkt des Denkens, nicht das Unternehmen. 

Diese Trends haben enorme Vorteile in Sachen Effizienz und Geschwindigkeit – aber ebenso enorme Nachteile für die Führung eines großen Unternehmens. Denn durch Geschwindigkeit, Partikularisierung und Gleichzeitigkeit löst sich mehr und mehr der Bezugsrahmen „Unternehmen“ auf – und damit die Möglichkeit, das Unternehmen als solches zu steuern. Auf diese Weise wird das Unternehmen zwar auf der Mikro-Ebene agil und responsiv, auf der Makro-Ebene aber zusehends handlungsunfähiger. Strategische Schwerpunktsetzungen durch das Top-Management werden dort immer schwieriger, wo es keinen (Kommunikations-)Raum mehr für Strategie gibt und keine Stimme für Unternehmensführer. 

Raus aus dem Hamsterrad

Wenn es also nicht das erklärte, strategische Ziel des Managements ist, das Unternehmen in sehr viele kleine, unverbundene und autonom agierende Einheiten aufzulösen, muss dieses Management weiterhin in der Lage sein, großflächige Aufmerksamkeit zu gewinnen und zu nutzen. 

Das Mitarbeitermagazin ist dafür – und nun sind wir am Punkt – meiner Meinung nach das richtige Medium. Denn 
  • es erscheint zyklisch und fokussiert die Aufmerksamkeit damit bewusst auf einen Punkt in Raum, Zeit und Kopf; 
  • es erreicht als Push-Medium die gesamte Organisation auf einmal; 
  • es bietet genügend Fläche für eine adäquate Darstellung auch hintergründiger Themen. 

Dieser Kanal wird damit zum „strategischen Leadership-Kanal“, der die Mitarbeiter aus dem Trott (dem Hamsterrad, dem Rennen) holt und den Blick auf das lenken kann, was mittelfristig wichtig ist. 

Welcher Aggregatzustand dabei der richtige ist (print, online, ePaper, Bänkelsang) ist dabei kontextabhängig. Wichtig ist aber, mit welche Professionalität das Produkt entsteht und ob es gerne und viel gelesen wird. Da liegt die Latte mittlerweile recht hoch. Einfache „Hofberichterstattung“ ist weder inhaltlich noch stilistisch in der Lage, die Aufmerksamkeit zu garantieren, die das Medium braucht und verdient. Zwischen Reportagen, Infografiken, Storytelling und Multimedia-Features braucht das Medium zusehends mehr Ressourcen. 

Aber dann, als Premium-Magazin, nicht als „Kessel Buntes“, hat die Mitarbeiterzeitung eine Zukunft, eine gute sogar.