Serie über Digitales Storytelling: Die Struktur einer guten Story!
von Carsten Rossi | 22.09.2015 15:23:46 | 6 Minuten Lesezeit
von Carsten Rossi | 22.09.2015 15:23:46 | 6 Minuten Lesezeit
Wenn man die gängigen „3/5/7/10-Tipps zum Digitalen Storytelling“ verfolgt und wirklich liest, gewinnt man häufig den Eindruck, dass Online-Geschichtenerzählen nichts anderes ist als eine Art „Rich Media Format“. Man nehme einen vorhandenen journalistischen Text, mische ein paar Videos und Infografiken hinein und schon entsteht eine faszinierende Geschichte, die Leser, Kunden, Stakeholder begeistert. Dass zu einer guten Geschichte mehr dazu gehört, nämlich Struktur, und zwar eine besondere, will ich im folgenden erläutern.
(Anmerkung: Dieser Text setzt Teil 1 dieser Serie fort: „Digitales Storytelling - Warum es wirkt!“)
Wir bei KKundK unterscheiden im allgemeinen der Einfachheit halber zunächst einmal zwischen drei unterschiedlichen Story-Typen
Die literarische Story ist jede Form von frei geschaffener, häufig fiktiver, manchmal dokumentarischer Kreation, gerne als Roman, Novelle, Comic, Drehbuch, Film etc.
Die journalistische Story ist all das, was wir in Zeitungen, Zeitschriften, Online-Magazinen und anderen Publikationen lesen. Es gibt die unterschiedlichsten Story-Formen, z.B. Reportagen, Berichte, Features, Porträts, Interviews und andere.
Die Business Story ist im Gegensatz zu den beiden anderen weniger durch ein spezifisches Format definiert, sondern vielmehr durch den Absender und die Absicht. Der Absender ist im allgemeinen die Kommunikationsabteilung, die Absicht ist die proaktive Beeinflussung der Rezipienten im Sinnne der strategischen oder ökonomischen Ziele des Unternehmens.
Die Formate, die zu diesem Zweck genutzt werden, sind meistens vor allem journalistische. Im Corporate Publishing, dem zentralen Spielfeld der Business Story, finden sich sehr viele Reportagen und Interviews, aber nur wenige literarische Formate.
Diese Fokussierung der Business-Story auf journalistische Formate hat viele Vorteile, aber einen sehr zentralen Nachteil. Die Vorteile sind die Anschlussfähigkeit an das Bekannte (nahezu jeder kennt Reportagen und Interviews) und die recht einfache Nutzung vorhandener Kompetenzen (viele Kommunikatoren waren früher Journalisten).
Der eigentliche Nachteil ist jedoch die mangelnde Glaubwürdigkeit der journalistischen Formate im Unternehmens-Umfeld.
Denn auch wenn sich durch den New Journalism die subjektive Stimme in das Medienkonzert gemischt hat, ist im verbreitetsten Sinne doch die Neutralität der Berichterstattung das Hauptkennzeichen journalistischer Format. Und genau diese Neutralität kann und will Corporate Publishing, soll eine Business Story nicht leisten. Business Stories verfolgen ein Ziel.
Aufgrund einer Unternehmensgeschichte sollen Kunden mehr kaufen, Mitarbeiter besser mitarbeiten und Stakeholder die Firma unterstützen. Deshalb kann Corporate Publishing niemals neutral sein. Es stellt nicht frei, es bietet keine Optionen, sondern es tut sein Bestes, um zu beeinflussen. Dazu muss man nicht lügen, aber man kann sicher auch nicht wirklich neutral und objektiv beschreiben. Wer nennt schon alle Wettbewerber, wenn es um das eigene Produkt geht? Wer zeichnet ein objektives Persönlichkeitsbild des eigenen CEOs während eines Change Prozesses?
Diese Tatsache erklärt den häufig doch recht faden Nachgeschmack mancher Reportagen oder Berichte in Kunden- oder Mitarbeitermagazinen, besonders dann, wenn sie eigene Prozesse oder Produkte beschreiben. Jeder weiß doch um die Subjektivität, Gefärbtheit und das Absichtsvolle dieser Artikel, egal ob Sie analog oder digital geschrieben sind. Und jeder liest deshalb in gewisser Weise „reserviert“.
Diese Reserviertheit wiederum steht aber der Zielerreichung im Weg. Wie soll ich ein reserviertes Publikum begeistern, beeinflussen und leiten? Wie soll ich meine Ziele erreichen, wenn niemand mitgeht?
Ich kann deshalb die Maske ganz fallen lassen. Das nennt sich dann Werbung. Oder ich lerne ein paar neue Tricks, die meinen Standortnachteil als subjektiver und absichtsvoller Vertreter eines Unternehmens ausgleichen. Und diese Tricks kommen aus dem literarischen Schreiben.
Literarisches Schreiben, vor allem das genrespezische, ist fast immer absichtsvoll. Ich will erheitern, erregen, erschrecken. Ich will eine Reaktion. Und ich will Identifikation. Mit meinem Helden und meiner Geschichte.
Das will der Kommunikator auch. Für ein Produkt begeistern. Die Identifikation mit dem Unternehmen fördern. Weswegen er wie ein Autor lernen sollte, wie man dieses Ziel erreicht. Stilistisch vielleicht, ganz sicher aber strukturell. Denn letztlich macht meistens der Plot die Story. Und wer könnte Plot besser als Hollywood.
Die meisten großen Hollywood-Geschichten – von Star Wars bis Titanic – berufen sich auf eine zentrale Strukturidee, die sogenannte Heldenreise. Auch einige literarische Blockbuster wie z.B. Harry Potter, rekurrieren auf den „Monomythos“, der von Joseph Campbell identifiziert und von seinem Schüler Christopher Vogler popularisiert wurde. All diese Filme und Bücher beruhen dabei auf einem sehr ähnlichen Entwicklungsmodell in 12 Schritten:
Wenn Sie etwas Humor haben, können Sie auch diese Grafik als Referenz nehmen:
Oder Sie gönnen sich die 20 Minuten und hören Uwe Walter bei seiner exzellenten Beschreibung der Struktur zu:
Was macht diese Erzähl-Struktur so erfolgreich? Warum berufen sich so viele Schreiber, Regisseure und andere Kreative auf dieses Modell?
Weil es – als Produkt der Auswertung tausender von Geschichten durch Joseph Campbell – einen narrativen Blueprint vorgibt, der immer funktioniert und begeistert, weil er
Und nun vergleichen Sie diese drei Eigenschaften einmal mit ihren Zielvorgaben als Kommunikatoren? Wollen Sie nicht genau das? Eine Person, ein Projekt, ein Produkt als Held in den Köpfen der Zielgruppen? Ihren Arbeitgeber dynamisch darstellen, stetig in Bewegung, vorwärtsschreitend und innovativ? Auf ein Ziel hin ausgerichtet, das die Welt – ihrer Kunden, Mitarbeiter, Stakeholder – besser macht?
Sehen Sie! Genau deshalb sollten Sie sich mit diesem Strukturmodell auseinandersetzen und es in ihre Arbeit als Storyteller einfließen lassen.
Wenn Sie also das nächste Mal die Wahl haben, ob Sie ein Change Projekt als Feature dokumentieren und
oder ob Sie eine Geschichte erzählen, die
dann versuchen Sie einmal letzteres. Sie sollen keinen Roman schreiben, aber sie sollen eine Struktur schaffen, die erzählerisch ist und die eine „Heldenreise“ beschreibt, statt einem Statusbericht zu gleichen.
Corporate Storytelling sollte eine andere Struktur haben als journalistisches. Die Campbell Strukur idealerweise, gerne aber auch die wesentlich einfachere von Pixar, die die 12 Schritte noch einmal vereinfacht. Zum Beispiel für „Findet Nemo“.
Wenn Sie ein begeisternder Storyteller werden wollen, sollten Sie sich nicht mehr nur als „Unternehmensreporter“ betrachten. Das ist die wichtigste Lektion, die Sie lernen sollten.
Welche Hilfe Sie zudem auf diesem Weg durch die digitale Transformation des Erzählens erhalten können, klären wir dann im nächsten Kapitel. Morgen. Da geht's dann auch endlich um die Tools und Formate des echten Digitalen Storytellings.