Es ist Zeit für Humanes Content Marketing aka. Mindful Marketing!
von Carsten Rossi | 06.12.2018 15:00:00 | 5 Minuten Lesezeit
von Carsten Rossi | 06.12.2018 15:00:00 | 5 Minuten Lesezeit
Seit einigen Wochen veröffentlicht Carsten Rossi einen Podcast unter dem Namen "Kammann Rossi Numbers". Dieser Content Marketing Podcast analysiert Zahlen, Studien und Statistiken der Branche.
Heute geht es darum, was die Zahl 400 mit der gesellschaftlichen Verantwortung des Content Marketings zu tun hat.
Wer zum Original will, kann den Podcast hier abonnieren. Oder auf Spotify, bei Apple Podcasts, bei Google und vielen anderen Plattformen. Jetzt aber das neuste (nicht-chronologische) Transkript im Blog - zusammen mit dem O-Ton zum Gleich-Hier-Hören.
Die Zahl des heutigen Tages ist 400 - so viele Stunden Video werden jede Minute auf YouTube hochgeladen.
Die Zahl stammt von der Website des Center for Humane Technology. Die Website als solche hat mich besonders fasziniert, weil sie von einigen Silicon-Valley-Größen unterstützt wird, obwohl sie sehr technologiekritische Thesen verfolgt. Die Website widmet sich nämlich dem Thema, ob der Status der Technologie, wie wir sie heute erleben – vor allen Dingen die der Online-Technologie und der sozialen Netzwerke – wirklich gut für die Gesellschaft, für die Menschen ist.
Die Antwort, die die Macher dieser Webseite geben ist relativ klar: sie ist es nicht. Sie argumentieren dabei auf vier Ebenen. Kurz zusammengefasst sagen sie erstens, dass die Technologie – die sozialen Netzwerke und die Apps dahinter, wie wir sie erleben – nicht gut für unsere geistige Gesundheit ist. Wir hängen zu oft und zu viel im Netz und können nicht abschalten, was Depressionen und Sonstiges fördert. Zweitens sei die Technologie, wie wir sie erleben nicht gut für unsere Kinder, weil sie aus den gleichen Gründen, also dem bekannten FOMO (fear of missing out), kein normales Leben mehr führen können. Drittens sagen sie, dass Technologie unsere sozialen Beziehungen unterminiert, weil wir letztendlich die Anerkennung des persönlichen Gegenübers durch die Suche nach Likes ersetzen. Viertens geht es um die Diskussion, in der wir alle zurzeit stecken, dass diese Technologie aufgrund des Kreierens von Filterblasen letztendlich auch unsere Demokratie untergräbt.
Wenn man das alles zusammennimmt und hinzu mischt, dass zum einen die dahinterstehenden Konzerne kein Interesse daran haben, dass sich an dieser Abhängigkeit etwas ändert und zum anderen die Technologien dann noch leicht zu manipulieren sind, ergibt sich aus Ansicht der Macher von humanetech.com die Notwendigkeit, dass Technologie sich verändern muss um gut für den Menschen zu sein.
Mir persönlich ist vieles auf dieser Website zu dystopisch. Ich sehe durchaus noch ein positives Potenzial von Online-Medien, also ein gesellschaftsverbesserndes Potenzial. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die zunehmende Abhängigkeit und Themen wie die Filterblase durchaus das Potenzial haben unsere Gesellschaft in negativer Art und Weise zu verändern.
Es gibt einen Grund dafür, warum selbst die großen Anbieter wie Apple oder Google in den neuen Versionen ihrer Betriebssysteme Tools anbieten, mit denen man seine Online-Zeit kontrollieren und am Ende vielleicht sogar reduzieren kann. Wenn die schädlichen Potenziale der aktuellen Technologien allerdings schon erkannt sind und wenn die Veränderungen, die jetzt nötig sind, offensichtlich gesellschaftlich erwünscht sind müssen wir uns als Content Marketer fragen, ob wir nicht unseren Teil dazu beitragen müssen, dass die Situation besser wird.
Letztendlich sind wir ja angetreten, viel besser zu sein als die "Werber", da wir für verantwortliches Marketing stehen und den Nutzer unterstützen, statt ihm zu schaden und ihm seine Zeit zu stehlen. Aus meiner Perspektive haben wir als Content Marketer die Pflicht und Schuldigkeit unser Tun zu hinterfragen. Denn wenn wir mehr sein wollen als Werbung und vertriebsunterstützende Kommunikation, wenn wir uns das Recht herausnehmen zu behaupten, dass wir Teil des gesellschaftlichen Diskurses sind, dass wir Menschen dabei helfen ihre Ziele zu erreichen, dann müssen wir auch einige Prinzipien entwickeln, die uns wiederum dabei helfen genau das möglich zu machen. Ich habe mir deshalb einmal Gedanken gemacht, an welchen Prinzipien wir uns orientieren sollten. In einem Satz zusammengefasst würde ich sagen: Content Marketer müssen gut, genau, fair und transparent sein.
Was ich damit eigentlich meine ist: wenn wir den Menschen im Auftrag unserer Kunden ihre Zeit nehmen, das heißt wenn wir sie dazu bringen unsere Inhalte zu konsumieren, dann haben wir die Aufgabe Inhalte zu produzieren, die wirklich brauchbar sind. Die Inhalte müssen ein gewisses Qualitätslevel erreichen, bei dem niemand sagen kann es sei Text oder Video als Schüttgut. Auch wenn es irgendeine taktische Notwendigkeit gibt eine gewisse Masse zu erreichen müssen wir darauf achten, dass die Zeit, die Menschen mit unseren Inhalten verbringen wirklich gut angelegt ist. Ansonsten verstärken wir nur die Tendenz, die wir ohnehin schon haben: Menschen verbringen sinnlos Zeit online und das ist Zeit, die ihnen in ihrem Leben fehlt. Wir sollten einen Qualitätsanspruch wahren.
Das hat in dem Fall nichts mit fachlicher Korrektheit zu tun – die setze ich einfach mal voraus – sondern es hat etwas mit einer genauen Zielgruppen-Ansprache zu tun. Wir sollten versuchen mit unseren Informationen nur die Menschen zu erreichen, die diese Information oder dieses Entertainment wirklich brauchen oder danach suchen. Wir sollten nicht mit der Gießkanne rumlaufen. Dieses Prinzip ist nicht nur im Sinne unseres Kunden, wenn wir im Zweifelsfall etwas Media-Geld sparen, sondern auch effizient in einem humanen Sinne. Es gibt doch nichts Schlimmeres, als Zeit mit Informationen zu verbringen, die man am Ende nicht gebraucht hat. Das sind Zeitbudgets, die ich mit meiner Familie verbringen kann oder mit meinem Hobby – auf jeden Fall mit etwas Sinnvollerem als irgendeiner sinnlosen Online-Werbung, die mich nur durch Zufall erreicht hat.
Dieses Prinzip finden wir auch im neuen Code of Conduct des BVDW zum Thema Content Marketing. Fair sein heißt für mich, dass wir auf Manipulationen jeglicher Art und Weise verzichten. Die einfachste Art und Weise der Manipulation ist das klassische Click Belting.
Man spricht in seiner Headline über etwas, das in dem Text nur eine Randnotiz ist aber die Leute dazu bringen soll diesen Text einfach anzuklicken, obwohl die Inhalte eigentlich etwas völlig anderes sind. Einfach weil man weiß, dass die Headline in dieser Form besonders aufmerksamkeitsstark ist. Wir können kreativ sein, das ist nicht unbedingt das Problem. Eine gute Headline kann Wunder wirken. Aber wir sollten nichts versprechen, was wir am Ende nicht halten können. Das ist für mich das Grundprinzip von Fairness.
Dieses Prinzip sollte selbstverständlich sein, ist es aber nicht immer. Jegliche Form von Kontextinformation, die nötig ist, um die publizierten Inhalte zu beurteilen muss klar offengelegt werden. Das muss sein. Wer hat die Informationen bezahlt? Woher kommt die Information? Aus welchem Zeitraum stammt die Information? Und so weiter und so fort. Mithilfe solcher klarer Kontextinformationen können wir dazu beitragen, dass die Konsumenten auch auf dieser Ebene genauso gesellschaftlich mündige Bürger werden, wie wir das im Allgemeinen für den politischen Diskurs einklagen.
Mir ist schon klar, dass das jetzt alles ein bisschen nach Pfadfinder klingt und viele sagen, dass wir als Marketer diese Verantwortung gar nicht übernehmen können, sollen oder dürfen. Aber ganz ehrlich: wollen wir die geistige und gesellschaftliche Gesundheit unserer Umgebung ganz allein den Infrastrukturlieferanten überlassen? Also den Tech-Firmen den Software-Hersteller und den Handy-Produzenten? Das ist ungefähr so, als würden wir sagen wir bei Smog oder Feinstaub sagen „Ja dann kauft euch doch Atemmasken, dann ist das alles nicht so schlimm“ und lassen aber die eigentlichen Verursacher, die den Dreck produzieren am Ende ungeschoren davonkommen.
Ich sage nicht, dass wir alle Dreck produzieren, versteht mich an dieser Stelle bitte nicht falsch. Ich sage nur, dass wir für das, was wir tun, eine Verantwortung haben und wir diese Verantwortung auch übernehmen müssen. Vor allem, wenn wir immer sagen, dass wir besser sind als die Kommunikationsgenerationen vor uns. Diese vier Prinzipien, über die wir gerne diskutieren können und über die ich auch wirklich gerne mit einigen diskutieren würde, sind für mich ein Anfang um vielleicht ein besseres, ein gesünderes und für alle letztlich humaneres Content-Marketing-Verständnis zu entwickeln.
Ich suche noch nach dem perfekten Begriff für diese Art von Content Marketing und kann mich nicht richtig entscheiden, welcher der bessere Begriff ist. Ich habe es einerseits „Humanes Marketing“ genannt, weil es letztlich darum geht die Werte der Humanität und des Einzelnen zu stärken. Auf der anderen Seite ist „Mindful Marketing“ als agenturtypische Alliteration, die leichter von der Zunge geht und etwas mit Achtsamkeit und achtsamer Beobachtung der Umgebung zu tun hat auch eine Möglichkeit. Wenn ihr dazu eine Meinung habt, meldet euch gerne per E-Mail, Twitter oder LinkedIn.
Ich hoffe auf anregende Diskussionen rund um diesen Beitrag.